Marla Grey
  • Start
  • About
  • Bücher
  • Blog
  • Kontakt

Bonusszene: Olivias Ankunft in Red Oak Mountain

Bonusszene: Olivias Ankunft in Red Oak Mountain

"Nach Hause fahren … ich hatte kein Zuhause. Nicht mehr."

Olivia hat nicht immer in Red Oak Mountain gelebt. Wie sie in dem kleinen Dörfchen gestrandet ist, erfährst du in dieser Bonusszene.

LIV

»Brauchen Sie Hilfe, Miss?« Der Mann sah durch das heruntergekurbelte Fenster seines Transporters zu mir herüber. Beäugte erst mich, dann die offene Motorhaube meines Wagens.
Ich wischte mir über die schweißnasse Stirn und nickte. »Es hat gequalmt und ich habe keine Ahnung, was los ist.«
Der Motor des Transporters erstarb und einen Augenblick später hing der Oberkörper des hageren Mannes über den offenen Motorblock.
Erschöpft lehnte ich mich gegen die Karosserie, nur, um im nächsten Moment vor der Hitze zurückzuschrecken.
Warum nur war es so verdammt heiß?
»Der Wagen hat kaum noch Öl«, erklärte er. »Und die Kühlflüssigkeit läuft aus. Sehen sie?« Er deutete auf eine Stelle im Inneren, aber er hätte auch auf eine andere, x-beliebige Stelle zeigen können. Mit Autos kannte ich mich nicht aus.
»Was kann ich da machen?«
»Sie? Gar nichts. Da muss ein Profi ran, um das Leck zu finden.«
Das hatte ich befürchtet.
»Auf der andren Seite der Stadt ist eine gute Werkstatt. Die kennen sich auch mit so einem alten Schmuckstück aus.« Er ließ die Motorhaube zuschnappen. »Ich kann ihren Wagen bis dort abschleppen und sie dann nach Hause fahren«, schlug er vor. »In ihrem Zustand–« Er deutete auf meinen prallen Bauch. »–sollten sie nicht all zu lange in dieser Hitze stehen.«
Nach Hause fahren … ich hatte kein Zuhause. Nicht mehr.
»Danke für das Angebot, aber … ich krieg das schon hin.« Das mit der Werkstatt war nicht drin. Mein Bargeld war fast aufgebraucht, und das Geld auf meinem Konto wollte ich nicht anrühren, bis es unbedingt nötig war. Es gab noch so viel, was ich brauchen würde, wenn das Baby erst einmal da war.
»Wie sie meinen, Miss.« Er hob die Schultern und umrundete seinen Transporter, um einzusteigen. »Die Werkstatt heißt Crowner & Partners. Nur, falls sie es sich anders überlegen.«

Ich wartete, bis der Transporter an der Ecke verschwunden war, ehe ich nach der halbleeren Wasserflasche auf dem Beifahrersitz griff und mich auf den Bordstein am Straßenrand sinken ließ. Ich nahm einen Schluck und starrte auf die Karosserie des Wagens, der einmal meinem Dad gehört hatte. Kämpfte gegen das Ohnmachtsgefühl an, das begann, sich in mir auszubreiten.

Seit fünf Monaten war ich unterwegs. Ich hatte Redfield den Rücken gekehrt, meinen Freunden, meinem Leben und noch immer keinen Schimmer, wie es weitergehen sollte. Nicht mehr lange, dann würde das Baby geboren werden und dann? Würde ich mit einem Neugeborenen auf dem unbequemen Rücksitz in einem alten Schlafsack schlafen? Weiterhin von Ort zu Ort ziehen und mich von billigem Supermarktfraß und ab und an einer warmen Mahlzeit ernähren? Die Fläschen auf Rastplätzen auswaschen? Das war doch Wahnsinn …


Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich presste die Hand auf meinen Bauch, zwang mich, zu atmen.


Nicht durchdrehen, Liv.


Ich hatte die letzten fünf Monate geschafft – ich würde auch den Rest schaffen. Irgendwie. Aber zuerst musste ich mich auf das Offensichtliche konzentrieren. Einen ruhigen Platz für die Nacht. Wasser. Etwas zu essen.


Mir kam das Schild des Supermarktes an der vorherigen Kreuzung in den Sinn. Eine Nebenstraße, perfekt, um den Wagen zu parken. Ich musste ihn nur noch einmal starten, wenden und langsam dort hinrollen. Und dann würde ich weitersehen. Nachdenken. Über die Sache mit der Werkstatt, über das Geld auf meinem Konto. Über die nächsten Schritte.


Ich kämpfte mich auf die Beine, warf die leere Wasserflasche durch das offene Fenster und rutschte auf den Fahrersitz. Ein Stottern – dann startete der Wagen und die Temperaturanzeige schoss augenblicklich in die Höhe. Mit zitternden Fingern legte ich den Gang ein, setzte den Blinker und rollte auf die Straße. Ich wendete, fuhr, bis ich das Schild des Supermarktes entdeckte, dann bog ich nach rechts. Rollte am Supermarkt vorbei, weiter die Straße hinauf. Einige hundert Meter weiter steuerte ich einen schmalen Parkstreifen am Waldrand an, der direkt unter schattigen Bäumen lag. Der Platz war nicht perfekt, aber er würde reichen müssen. Ich konnte zu Fuß Essen besorgen und frisches Wasser. Ich konnte mich im Wald erleichtern. Und das Wichtigste: Ich hatte Schatten. Alles andere würde sich fügen.

Es musste einfach.


Eine Bonuszene zu: Wiedersehen in Red Oak Mountain
Marla Grey
Vorheriger BeitragBonusszene: Roux im KrankenhausNächster Beitrag Bonusszene: Liv und die ErdbeerenErdbeeren auf einem Teller

Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© marla-grey.de

Impressum